Fragen an Portia Lawrie über die “The Refashioners” Challenge und ihre Auswirkungen

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Im Rahmen der Fashion Revolution Blog habe ich schon auf die Näh-Challenge Me Made May von Zoe hingewiesen. Solche Challenges sind eine tolle Möglichkeit sich mit vielen anderen Hobbyschneiderinnen auszutauschen, das eigene Können unter Beweis zu stellen und ein großer Pool vielfältigster Inspirationen!

Auch Portia Lawrie – ich liebe einfach diesen Namen und kann ihn nicht genug schreiben – hat vor einigen Jahren solch eine Challenge ins Leben gerufen und veranstaltet seit 2011 regelmäßig “The Refashioners”. Wie der Name schon sagt, geht es darum nicht mehr angesagten Kleidern neues Leben einzuhauchen indem sie angepasst und verändert werden.

Ich finde dieses Projekt passt wunderbar zu unserer Fashion Revolution Week Blogtour und ich habe Portia deswegen ein paar Fragen zu “The Refashioners” und ihrem eigenen Verhältnis zu Kleidung gestellt.

Interview mit Portia vom Blog “Makery

 

Liebe Portia, bitte erzähl uns etwas über dich. Wo lebst du, was ist dein Beruf und wie bist du darauf gekommen einen DIY-Blog zu veröffentlichen?

Ich lebe in einem ländlichen Teil von Essex, wo ich in von einem Sommerhaus am Ende unseres Gartens aus arbeite, Kaffee trinke und Musik höre! Ich habe mit meinem Blog makery 2010 angefangen. Ursprünglich war er gedacht als ein persönlicher Blog, in erste Linie um meine Fortschritte im Nähen zu verfolgen. Aber es war schnell so eine Art Schneeballeffekt, genauso wie meine Leidenschaft zum Nähen. Und heute – arbeite ich in Teilzeit und schreibe für Online- und Printmedien in Sachen Nähen.

Seit 2013 organisierst du die “The Refashioners” Challenge. Im Grunde geht es darum, dass Blogger eingeladen werden, ein Kleidungsstück neu zu gestalten. Kannst du diese Herausforderung genauer erklären und uns sagen, was deine Absicht mit Refashioners war?

Die Absicht von “The Refashioners“, das ich 2011 zum ersten Mal veranstaltet habe, war und ist es, Hobbyschneiderinnen zu ermutigen, alte Kleider in einem neuen Licht zu sehen. Nicht einfach mehr Stoff kaufen, sondern alte und ungeliebte Kleidungsstücke als mögliche Stoffquelle betrachten UND die wunderbare, kreative Herausforderung entdecken, die sich aus der Umgestaltung ergibt. Ich hatte auch das Gefühl, dass das Umgestalten ein bisschen unter einem Imageproblem leidet. Ich wollte zeigen, dass es cool, kreativ, irgendwie augefallen und hip sein kann.

Also werfen wir jedes Jahr wieder den „Fehdehandschuh hin“ und fordern die Leute heraus, etwas Gewöhnliches in etwas Erstaunliches zu verwandeln. Wir starten “The Refashioners” indem wir einen Monat lang inspirierende Refashion-Projekte von einigen der bekanntesten Nähblogger zeigen. Dann fordern wir die ganze Nähcommunity für einen weiteren Monat zur Challenge heraus … und am Ende … lockt ein toller Preis für den Gewinner.

Bei „The Refashioners“ geht es nicht NUR um Nachhaltigkeit. Aber es ist tatsächlich ein großer Teil davon. Für einige Teilnehmer ist das Thema Nachhaltigkeit tatsächlich auch die Hauptmotivation daran teilzunehmen. Manche tun es wegen der kreativen Herausforderung und andere tun es, weil es irgendwie auch wirtschaftlich ist. Aber was auch immer die Motivation ist … „Refashioning“ ist ohne Frage “ganz oben”, wenn es um Nachhaltigkeit und „Slow Fashion“ geht.

Durch „The Refashioners“ hast Du ganz offensichtlich viele sehr kreative und faszinierende Leute kennengelernt. Kannst Du uns sagen was Dich am meisten beeindruckt hat?

Ha ha! Das kann ich beim besten Willen nicht beantworten, lol! So viele Projekte überfluten mich aus so vielen verschiedenen Gründen.

Ich liebe auf alle Fälle Projekte, die aufwendige Transformationen sind, aber ich liebe auch die ganz einfachen Veränderungen, die ebenso effektiv sein können. Es sind die unendlichen Möglichkeiten, die so aufregend sind. Aber ja … Ich habe – virtuell und persönlich– durch “The Refashioners” einige erstaunliche Leute kennengelernt. Mit der tollen Online-Näh-Community in Austausch zu kommen ist eine der vielen Dinge, die solche Herausforderungen wie “The Refashioners” und viele andere ähnlich geartete mit sich bringen.

Wie gehst du mit Kleidung im Allgemeinen um? Machst du die meisten deiner Kleidungsstücke selbst oder kaufst du nachhaltige und fair produzierte Kleidung? Wenn letzteres hast du da Favoriten?

Meine Garderobe ist eine Mischung aus handgefertigten, neuwertigen und Secondhand-Artikeln. Ich kaufe selten etwas Neues außer Schuhe, Taschen und Unterwäsche; – und ab einem gewissen Punkt werde ich mich wahrscheinlich auch an das anpacken.

Wenn also nicht von mir handgefertigt, sind meine Kleider in der Regel Second Hand aus einem Wohltätigkeitsladen. Initiativen wie FashRev haben mir die “Hintergrundgeschichte” von allem, was ich kaufe, viel bewusster gemacht. Es gibt Marken, die ich jetzt komplett vermeiden werde (sogar in Second Hand Läden). Der Grund dafür ist, dass ich denke, wenn die Label es sich leisten können, etwas so günstig zu verkaufen, dann werden dafür die Kosten irgendwo in der Lieferkette gesenkt. Irgendwer bezahlt hier, und ich – als Kundin – bin das augenscheinlich nicht.

Ich möchte nicht mehr dazu gehören. Ich möchte die Kleider dann lieber nicht haben, sie lieber selber machen oder gebe dann gerne aus, wo ich weiß, daß für den Hersteller ein sicheres Arbeitsumfeld gewährleistet ist und für seine Zeit und sein Können fair bezahlt wurde.

Als Selbermacher sollten wir diesen Teil viel mehr wertschätzen als die meisten anderen. Als Selbermacher … vielleicht ist die größerer Frage, der wir uns stellen sollten “Wer hat meinen Stoff gemacht?”…

Ich habe gesehen, dass Du als bester Instagram Accounts von Williamgee Haberdashy im Jahr 2018 gekürt wurdest. Was möchtest du über deinen Instagram-Account vermitteln und was bedeuten Social Media im Allgemeinen für dich?

Diese Auszeichnung zu erhalten war ein schönes Kompliment! Ich versuche nicht wirklich etwas Spezifisches in meinem IG Feed zu vermitteln. Ich denke, dass ich teile, was mir wichtig ist, das, was ich mag, und mit dem was ich poste auch das vermittele, was ich denke.

Ich würde sagen mein IG Feed ist eher eine Art Bewußtseinsstrom als eine spezifische und zielgerichtete “Nachricht”. Es ist mir wichtig, dass es visuell “fließt” – ich bin irgendwie so mit allem, was ich “mache”. Für mich geht es mehr um ein Gespräch und um Interaktion. Besonders IG ist mein Treffpunkt, wo ich diese Gespräche führen kann. Manchmal ist es ein einfach nur Geplänkel. Manchmal geht es ein bisschen tiefer.

Es geht auch nicht immer nur um Nähen. Manchmal habe ich überhaupt keine Lust nur abzuhängen. Dann möchte ich ein Teil aller Gespräche sein. Es ist wirklich eine soziale Sache für mich. Nähen kann eine einsame Angelegenheit sein und wenn du keine lokalen Freunde hast, die deine Leidenschaft teilen, sind Social Media eine großartige Möglichkeit, einen Austausch zu finden.

Die Fashion Revolution Week wurde im Gedenken an das Unglück der Rana-Plaza Fabrik ins Leben gerufen, die im Jahr 2013 1138 Menschen tötete und viele weitere verletzte. Denkst du, dass es eine Fashion Revolution gibt und wie denkst du kann vor allem bei jungen Menschen ein Bewusstsein dafür geschaffen werden nicht so viele und vor allem billige und schlecht produzierte Kleidungsstücke zu kaufen, sondern über Qualität und Nachhaltigkeit nachzudenken?

Es kommt absolut zu einer Revolution. Und lange soll sie weitergehen! Aber es geht um viel mehr als nur darum die Einstellung vieler Menschen zu ändern, wie sie Kleidung wertschätzen.

Der größte Faktor des Zusammenbruch des Rana-Plaza war das Geld. Kostensenkungen, um die Nachfrage nach billiger Kleidung zu decken. Aber die Nachfrage nach billiger Kleidung wird nicht nur durch Fast Fashion oder dem schnellen Konsum genährt. Das ist sicher die eine Seite der Medaille, ja.

Initiativen wie FashRev sind großartig, um das zu ändern. Aber es gibt eine andere, weniger anerkannte oder sagen wir weniger diskutierte Seiten der Medaille. Diese Industrie, also die textilverarbeitende Industrie, wird auch von der Armut bei uns gefüttert. Wenn Familien zwischen Heizen oder Essen wählen müssen, werden ethische Entscheidungen schwierig. Es ist einfach, eher ein ethisch hergestelltes T-Shirt für 80 Pfund zu kaufen als eins für 5 Pfund, wenn man das nötige Einkommen dafür hat. Aber wenn man kurz davor steht, daß einem der Strom abgestellt wird dann wäre es wahrscheinlich besser die 80 Pfund für die Stromrechnung auszugeben und die 5 Pfund für das Hemd aus dem Supermarkt.

Du erwähnst speziell junge Menschen. Ich denke, junge Menschen sind wahrscheinlich die am besten informiertesten und sozialbewusstesten von uns allen. Sie kaufen die billigen Klamotten zum Teil, weil sie sich nur das leisten können, und zum Teil, weil sie mit neuen Trends mithalten wollen.

Es wird immer eine Nachfrage nach billiger Kleidung geben, solange es Menschen gibt, die sich keine ethischen Alternativen leisten können. Wenn wir weiterhin daran arbeiten das Stigma, das mit Secondhand-Kleidung verbunden ist, zu beseitigen und es als ethische Option anerkennen würdern; eine weitere ethische Option wäre, Menschen weiterhin dazu zu ermutigen, Fähigkeiten wie das Ausbessern oder Selbermachen von Kleidung zu erlernen. Das wird dazu beitragen, dass die am unteren Ende der Einkommensskala stehenden Personen (einschließlich der jungen Menschen) ethischere Entscheidungen treffen können.

Die Lohn- und Arbeitsbedingungen für die Arbeiter in der Bekleidungsindustrie sind von entscheidender Bedeutung. Aber wenn die Bedingungen, die die Nachfrage nach billiger Kleidung erzeugen, immer noch zu Hause liegen, werden wir die Quelle des Problems nicht vollständig lösen. Einstellungen und Bewusstsein sind nur eine Teil der Geschichte. Im Moment befinden wir uns in einem weiteren Teufelskreis von Armut, die Armut verursacht, und das ist ein großes gesellschaftspolitisches Problem.

Glaubst du, dass es in der Nähcommunity ein wachsendes Bewusstsein gibt? Daß Leute anfangen zu nähen, weil sie nicht eine Industrie unterstützen wollen, die für ihre unfairen Arbeitsbedingungen und schlimmen Auswirkungen auf die Umwelt bekannt sind?

Ganz sicher. Ich denke, viele Leute nähen aus diesem Grund. Aber Vorsicht! Die Stoffherstellung kann genauso ausbeuterisch sein wie die Herstellung von Bekleidun!. Es ist genauso leicht, sich als Selbermacher in diesem ausbeuterischen Kreislauf zu verfangen, wenn man sich nicht bewusst sind, was man kauft. Indem man z.B. zu viel oder zu verschwenderisch Stoff kauft oder eben billig produzierten Stoff.

Meiner Meinung nach ist es ist ethisch oder ökologisch dann nicht besser als Fast Fashion. Ich würde sagen “Kaufe weniger …. aber kaufe gut. Mach weniger … aber mach es gut”.

Wäre es nicht toll, “Refashioning” als Pflichtfach in der Schule zu haben?

Ich denke eine Wertschätzung für die Herstellung von Kleidung im Allgemeinen sollte an den Schulen Thema sein. Bringt das Handarbeiten oder einfach Textilien als Lehrplanfach zurück, sage ich !! Wenn man weiß, wie lange man braucht, um ein T-Shirt zu machen … weiß man einfach, wann Preis fair und wann er ausbeuterisch ist; und es wird einem dann em Ende nichts ausmachen, die Rechung zu bezahlen, selbst wenn man nicht seine Kleider selbst macht. Und abschließend denke ich, wenn man ein bisschen mehr bezahlt, wird man auch eher etwas wieder reparieren als es wegzuwerfen!

Liebe Portia, vielen Dank für dieses geradlinige Interview und dafür, daß Du uns Einsichten in Deine klare Haltung gegeben hast. Ich freue mich schon auf die nächste “The Refashioners” Challenge, die sicher wieder ganz außergewöhnliche Ergebnisse bringen wird.

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In dem Interview spricht Portia auch davon, daß letztendlich Nachhhaltigkeit und ökologisches Bewußtsein beim Nähen oder Selbermachen auch davon abhängt welche Materialien man wählt. In diesem Zusammenhang möchte ich dir True Fabrics aus Hamburg sehr ans Herz legen.

True Fabrics ist ein Versandhandel mit sozialem Gewissen und einer großen Auswahl an einzigartigen Stoffen aus der ganzen Welt. True Fabrics arbeitet mit kleinen und mittleren Textilproduzenten z.B. aus Ghana, Togo, Südafrika, Nepal, Australien, Guatemala oder Indien zusammen. Sie wollen das traditionelle Handwerk fördern, treten für die kulturelle Vielfalt ein und stellen ökologischen und soziale Prozesse sicher. Und: 10% des Kaufs fließen unmittelbar in soziale Hilfsprojekte.

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TRUE STORY

Was ist unsere Vision, was sind unsere Ziele, wer sind unsere Lieferanten? Antworten liefert die True Story


Wir wollen die Wertschöpfung unserer einzigartigen Stoffe von ihrer Produktion bis zur Auslieferung an unsere Kunden transparent gestalten und bestmöglich die verschiedenen Facetten der Nachhaltigkeit erfüllen. Nachhaltigkeit bedeutet für uns (eigene) Prozesse umweltfreundlich zu gestalten, ökologisch unbedenkliche Rohstoffe und Materialen zu verwenden sowie zu gerechten Arbeitsbedingungen und fairen Löhne für die Mitarbeiter unserer Lieferanten beizutragen (eine Liste mit den konkreten Maßnahmen findest du hier). Die Gegebenheiten hinsichtlich des Austausches sowie der Produktionsweisen und -standards variieren in den unterschiedlichen Herkunftsländern der Stoffe stark, wodurch jeder Lieferant ein individuelles Profil an Nachhaltigkeitsaspekten abdeckt. Jeder Lieferant hat seine eigene True Story. (…)

(Quelle: Website von True Fabrics, About Us)

 

Wenn du die Vielfalt und Qualität von True Fabrics mal ausprobieren möchtest, dann hinterlasse unter diesem Post einfach einen Kommentar bis heute (28.4.) Abend 24 Uhr. Ich verlose heute einen 25 % Gutschein!

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Den Shopper von Lanius hat Resa gewonnen. Herzlichen Glückwunsch!

4 Kommentare

  1. Liebe Silke,
    Vielen lieben Dank für den schönen Beitrag. Bis jetzt haben mir alle sehr gut gefallen. Die Refashioners kannte ich noch gar nicht, da werde ich definitiv mal vorbei schauen. True Fabrics ist mir ebenfalls schon länger ein Begriff und ich bin großer Fan davon, daher würde ich mich sehr über den Gutschein freuen.
    Liebe Grüße, Resa

  2. Die Stoffe von True Fabrics gefallen mir super gut, daher würde ich dort gerne mal bestellen und mit dem Gutschein würde sich das doch glatt lohnen.
    – Celine

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